Juli 2021 – Dies ist eine Geschichte der Hoffnung.

Davon, was man erreichen kann, wenn man Hartnäckigkeit, Mut, Empathie und Respekt in die Tat umsetzt. Aber letztlich geht es um 101 individuelle Geschichten. Und heute hört Ihr, wie ein ganz besonderer Bär von einem winzigen, weitäugigen und verängstigten Jungtier zu einem selbstbewussten, gesunden und stattlichen Bären wurde.

Dies ist die Geschichte von Smudge. Als Animals Asia im Jahr 2014 die Gallefarm in Nanning übernahm war es ein ganz anderer Ort als heute. Die riesigen, dunklen Betonhallen beherbergten Reihen über Reihen von Käfigen, in denen 132 Mondbären lebten. Der Zweck der Farm war es, routinemäßig Galle aus den Gallenblasen der Bären zu extrahieren, um sie für die traditionelle Medizin zu verkaufen und gleichzeitig die nächste Generation von Gallebären zu züchten.

Smudge war die letzte Bärin, die in Nanning geboren wurde. Sie wurde ihrer Mutter nach der Geburt weggenommen und in einen Vogelkäfig gesteckt – die Gitterstäbe eines normal großen Bärenkäfigs waren zu groß für ihren winzigen Körper. Als das Tierarzt- und Bärenpflegeteam von Animals Asia in Nanning ankam, fanden sie die vier Monate alte Smudge in einer feuchten, stockdunklen Zelle am Ende eines betonierten Hofes. Sie war verängstigt und hatte Wunden an der Nase, weil sie sich an den Gitterstäben ihres Käfigs gerieben hatte. Sie weinte nach ihrer Mutter. Heidi Quine, jetzt Leiterin des Bären- und Tierarztteams in unserer Rettungsstation in Vietnam und damals Senior Bear Manager in Nanning, erinnert sich lebhaft an diesen Moment:

“Wir konnten Weinen hören, das aus dem Hof kam, vor dem wir standen. Ich bestand darauf, dass der Farmarbeiter die Tür zum Hof öffnete. Wir fanden Smudge allein, wimmernd und zitternd. Wider besseres Wissen stürzte ich hinein, hob sie auf und drückte sie an meine Brust. Sie war so hilflos und sehnte sich so sehr nach ihrer Mutter, dass sie sich sofort wieder beruhigte.” Von diesem Moment an wurde Smudge mit Liebe und Aufmerksamkeit von jedem Mitglied unseres Teams überschüttet. Wir wollten, dass sie sich nie wieder allein fühlt. Wir brachten Smudge in einen Hof, wo sie ein Planschbecken, ein Klettergerüst und viele leckere Snacks und Beschäftigungsmöglichkeiten hatte, um ihren jungen, wachsenden Geist und Körper zu stimulieren.

Wie bei allen Tieren sind die ersten Lebensjahre entscheidend für die physische, psychologische und emotionale Entwicklung. Deshalb gab unser Team Smudge so viel Liebe und Aufmerksamkeit wie möglich, um die Lücke zu füllen, die der Verlust ihrer Mutter hinterlassen hatte. Unser ehemaliger Bärenteam-Manager Rocky spielte die Rolle der Mutter und brachte ihr bei, auf die Struktur zu klettern, die wir für sie gebaut hatten – sie war ein Naturtalent und kletterte bald überall in ihrem Gehege herum. Smudge wuchs bald zu einem gesunden, robusten und selbstbewussten Bären heran. Sie und ihr Gefährte Wai Kee liebten es zu spielen, im Pool zu planschen und gemeinsam kühle Schlauchduschen zu genießen. Sie waren auch zärtlich zueinander und tätschelten sich gegenseitig den Kopf, wenn sie vorbeikamen, um Hallo zu sagen. Es war erstaunlich zu sehen, wie sich Smudges Charakter entwickelte und ihr Selbstvertrauen wuchs, obwohl sie immer noch in einer eingeschränkten und unnatürlichen Umgebung war.

Im April 2021 bekamen wir endlich die Nachricht, auf die wir so lange gewartet hatten: Wir konnten Smudge und ihre 100 Freunde in unsere Rettungsstation in Chengdu bringen. Sie ging schnell und selbstbewusst in ihren Transportkäfig und setzte sich hin, als wollte sie sagen: “OK, los geht’s!” Smudge war die allerletzte Bärin, die in ihren Transportkäfig verladen wurde. Es war so ein historischer Moment, wenn man bedenkt, dass sie als winziges Jungtier gerettet wurde und nichts anderes kannte als die Gitterstäbe um sie herum.

Unterwegs bekamen Smudge und ihre Freunde viele Leckerbissen und Beschäftigungsmöglichkeiten, damit sie sich während der 750 Meilen langen Reise von Nanning nach Chengdu wohlfühlten und beschäftigt waren. Als letzte Bären unserer einmonatigen Mission sind Smudge und ihr bester Freund Wai Kee noch in der Quarantäne und warten sehnsüchtig, aber geduldig darauf, sich in ihrem neuen Zuhause einzuleben. Wir können es kaum erwarten, dass Smudge zum ersten Mal in ihrem Leben Gras unter ihren Pfoten spürt, die Sonne auf ihrem Gesicht spürt und endlich ein Bär wird, der nach Futter sucht und spielt und das Leben in vollen Zügen genießt.

Fotos sind Eigentum von Animals Asia.

(Maren, Projektpate für Animals Asia Deutschland )