September 2021 – Wildtierschmuggleralarm

Am späten Montagabend (13.09.21) meldete sich ein Polizeibeamter aus der Grenzregion von Dien Bien in Nordvietnam bei unserem Team des Rettungszentrums Vietnam. Die Polizei hatte bei einem Wildtierschmuggler ein Bärenjunges beschlagnahmt und bat uns zu kommen und es zu retten.
Die Polizei hatte von der Organisation Education For Nature Vietnam (ENV), die die Wege der Schmuggler einen Monat lang beobachtet hatten, einen Hinweis bekommen. Sie fingen den Schmuggler ab, als er von Laos aus die Grenze überschritt, höchstwahrscheinlich in der Absicht, den Welpen an Gallefarmer oder als exotisches Haustier zu verkaufen.
Da der Welpe so klein ist – etwa 30kg schwer – wurde er wahrscheinlich gewildert und musste mitansehen, wie seine Mutter getötet wurde, die erbittert gekämpft hätte, um ihr Junges zu schützen.
In dem herzzerreißenden Video von dem kleinen Bären in einem engen Käfig, das die Polizei geschickt hatte, konnten wir sehen, dass er einen wunderschönen, unverwechselbaren Halbmond in Gestalt eines W auf der Brust trägt. So gaben wir diesem kleinen Bären den vorläufigen Namen „Wonder“ (im Englischen „Wunder“ im Sinne von „sich wundern“, „sich fragen“), denn es gibt so Vieles, was wir nicht über ihn wissen…
Wir fragen uns, woher er oder sie kommt, wir fragen uns, was das Bärenjunge erleiden musste und was aus seiner Mutter geworden ist. Wir fragen uns, was geschehen wäre, wenn es nicht vor einem unbekannten, doch sicherlich schrecklichen Schicksal bewahrt worden wäre.
Doch was wir wussten: Dieser kleine Welpe würde schon bald sicher in unserer Obhut sein, und er würde niemals mehr Leid und Angst erdulden müssen und nie mehr allein sein.

Dien Bien liegt etwa 500km entfernt von unserem Rettungszentrum in Tam Dao, und der provinzüberschreitende Verkehr ist aufgrund der aktuellen Covid-19-Situation stark eingeschränkt. Daher konnte unser Rettungsteam nicht sofort aufbrechen und den Welpen holen, wie es normalerweise geschehen wäre.
Bevor unser Team auch nur das Rettungszentrum verlassen durfte, mussten alle, die dazu gehörten, einen Covid-19-Test machen und die Ergebnisse und ein OK abwarten. Das Team schickte eine Anleitung zur Versorgung von Bärenwelpen an die Polizei in Dien Bien, um sicherzustellen, dass man sich dort bis zu unserem Eintreffen gut um das Junge kümmern würde.
Zum Glück erhielten alle Mitglieder unseres Rettungsteams die Reisegenehmigung, und am Mittwoch unternahmen sie die lange Reise nach Dien Bien. Zwischendurch mussten sie regelmäßig an Kontrollstellen anhalten und nachweisen, dass sie zwischen Provinzen reisen konnten, ohne jemanden zu gefährden.
Die Polizei von Dien Bien hatte glücklicherweise unsere Reise unterstützt, um sie so problemlos und rasch wie möglich zu gestalten.

Nach einer Reise von 500km durch Vietnam nach Dien Bien und Aufenthalten an mehreren Kontrollstellen zur Überprüfung der Covid-19-Reisebeschränkungen traf das Rettungsteam von Animals Asia bei der Polizeistation ein und schaute sofort nach dem kleinen Welpen.
Der Leiter der Rettungsaktion, Bärenteammanager Hiep, eilte zu dem Platz, wo der Welpe gehalten wurde, hockte sich sofort auf Augenhöhe hin und sprach leise und beruhigend auf ihn ein, während er ihm mit einem langen Löffel Honig und Trockenfrucht anbot.
Zunächst war der Welpe verständlicherweise nervös wegen dieser neuen Person, doch schon bald wurde er zutraulicher, während Hiep ihn immer wieder mit Leckerbissen fütterte. Er streckte sogar die Pfote aus seinem vorläufigen Käfig heraus, um Früchte aus Hieps Hand entgegenzunehmen!
Die Polizei hatte den Welpen mit verschiedenen Früchten gefüttert, und er hatte gezeigt, dass er Wassermelonen am liebsten mochte, also werden wir ihm ganz sicher in den kommenden Tagen und Wochen jede Menge davon geben.
Den Welpen aus seinem vorläufigen Käfig in den Transportkäfig und auf den Rettungstransporter zu bekommen, verlief einfach und reibungslos, da Hiep den Welpen mit leckeren Snacks ablenkte und ständig beruhigend auf ihn einredete.
Sobald er in den Transporter verladen war, schnitten Team und Polizei ein paar Bananenblätter ab und legten sie in den Transportkäfig, damit der Welpe während der Heimreise darauf herumkauen und sich darin einrollen konnte. Außerdem erhielt er viele schöne, frische Früchte und Wasser.

Am Freitag trafen Team und Welpe wohlbehalten in unserem Rettungszentrum ein, wo das Junge erst einmal gesundheitlich untersucht wird und wir das Geschlecht bestimmen können.
Dann wird er in unsere Quarantänezone verlegt und dort 45 Tage verbringen, um sich an seine neue Umgebung zu gewöhnen. Unser Team wird sich daran machen, das Vertrauen des Welpen zu gewinnen und ihm die Zuversicht zu vermitteln, dass er jetzt in Sicherheit ist und sein neues, glückliches Leben gerade erst beginnt.

Fotos sind Eigentum von Animals Asia

(Maren, Projektpate für Animals Asia Deutschland)