Januar 2022 – Von Mistkerlen und Engeln

Gestern morgen in der chilenischen Kleinstadt Chiguayante. Es ist Hochsommer.
Eine junge Frau geht zur Bushaltestelle, gleich hat sie ein Vorstellungsgespräch. Doch plötzlich, Bremsen quietschen, ein dumpfer Knall, kurze Stille, dann qualvolles Winseln. Ein Mann steigt aus seinem Auto, geht einmal rundum, prüft besorgt auf mögliche Schäden, wirft einen Blick auf das wimmernde Fellbündel – und fährt davon! Sein Opfer, eine beige-braune Hündin, hockt heftig blutend am Bushäuschen, ist im Schock, schleppt sich noch einige Schritte weiter, sackt zusammen, wird ohnmächtig.
Und jetzt geschieht das Wunder, die junge Frau, entgeisterte Zeugin des Ganzen, beschließt, ihren Termin erst einmal sausen zu lassen und sich stattdessen um den Hund zu kümmern. Das Verhalten des Autofahrers ist durchaus nicht ungewöhnlich in Chile, das der jungen Frau schon. Sie weiß glücklicherweise, dass es in Chiguayante die Tierrettungsstation des Vereins @Refugio Patitas Sin Hogar („Zuflucht für Pfötchen ohne Heim“) gibt, eine der dreizehn chilenischen Partnerorganisationen von FinnDomingo e.V. und Mitglied im Netzwerk „Chilenischer Tierschutzbund“. Dort ruft sie nun an – und mehr noch – sie bleibt so lange bei dem verletzten Tier, bis Hilfe eintrifft und die Hündin, die jetzt vor Schmerz um sich beißt, zum Tierarzt gefahren werden kann.
Dort wird zunächst die Blutung gestoppt und die lebensrettende Schockbehandlung eingeleitet, um die Kleine zu stabilisieren und überhaupt weitere Untersuchungen durchführen zu können. In diesem Moment warten wir noch auf die Ergebnisse von Röntgen und Ultraschall und hoffen inständig, dass die Verletzungen nicht zu heftig sind. Erstens natürlich sowieso, und zweitens, weil das Refugio derzeit in jeder Hinsicht mal wieder mehr als am Limit angekommen ist. Hochsommer ist nämlich auch in Chile Reisezeit, speziell nach zwei Jahren striktester Pandemiemaßnahmen, und das wiederum bedeutet extrem viele ausgesetzte, desorientierte und dann auch baldigst verunfallte Hunde auf den Straßen.
ALBA (span. für Morgendämmerung) wurde die süße Maus jetzt genannt. Bitte drückt ihr die Daumen! Danke, Refugio Patitas Sin Hogar und, danke, danke, an die unbekannte junge Chilenin für ihre selbstlose Hilfe!