Hilfe für Straßenhunde in Delhi

Bringt mich der Tierschutz am Ende doch zu meinen Wurzeln?

Irgendwann habe ich einmal meine Beweggründe aufgeschrieben, warum ich all das mache, was ich mache. Ich habe von meiner ewigen Suche geschrieben, einer Suche, die sich durch mein ganzes Leben zieht.

An diesen Bericht von damals musst ich doch einige Male denken, als ich mich neulich im Layover zusammen mit einer Kollegin mit einer Tierschützerin vor Ort in Delhi getroffen habe.

Die ganze „Aktion“ war mega spontan und spannend. Ich habe Simone Mühlbock bereits am Gleis in Mannheim getroffen, wir waren beide auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen- auf dem Weg zum Dienst. Bereits im Zug hatten wir uns viel zu erzählen und spontan hatte ich noch kurz vorher einen kurzen Post auf meiner Facebook Chronik gepostet, dass ich mich nun auf dem letzten Flug vor meinem Urlaub befinde, „noch einmal kurz nach Delhi, um einige Hunde glücklich zu machen“- und schon kommentierte eine liebe Kollegin (Dani Engel), dass wir uns doch unbedingt mit Jaslin in Delhi treffen sollten.

Jaslin ist übrigens auch Flugbegleiterin bei der SWISS und wann immer sie in Delhi ist, kümmert sie sich um Straßenhunde in der Millionenstadt.

Gesagt getan, ich schrieb sie direkt an, noch während der Zugfahrt schrieb sie zurück und das Treffen für den nächsten Tag war bereits fest ausgemacht.

Simone und ich wurden vom Hotel abgeholt, Jaslin hatte sich um alles gekümmert (Uber Taxi gebucht etc) und wir wurden erst einmal sehr herzlich bei ihr daheim empfangen. Ein wenig geplaudert über das, was sie macht, sie hat uns auch mit Stolz einen über ihre Arbeit in einer Swiss-internen Flugbegleiterzeitschrift veröffentlichten Bericht erzählt.

Und dann ging es auch schon los. Jaslin hat uns mitgenommen auf ihre Tour, die sie fast jeden Tag macht, wenn sie in Delhi, daheim ist. In ihrem Auto befinden sich ca. 4 verschiede Futtersorten, teilweise angemischt mit Wasser, teilweise Nass- und Trockenfutter und Kaustangen und viele Medikamente und Erste Hilfe Verbandszeug, alles was man so braucht.

Jaslin fuhr dann mit uns die einzelnen „Futterstellen“ an. Fast an jeder Straßenecke oder Kreuzung lebt ein Hunderudel, welches sie mit Futter versorgt. Sie kennt ihre Hunde alle- und die Hunde kennen sie natürlich auch. Die meisten vertrauen ihr und ließen sich bereits problemlos „einfangen“, tierärztlich versorgen und auch kastrieren. Es gibt nur ganz wenige, bei denen es bisher noch nicht so geklappt hat.

Jaslin verfolgt in ihrer Arbeit ein Motto: „Niemand soll mit einem leeren Magen zu Bett gehen“, wenn sie mal unter Zeitdruck ist oder es nicht geschafft, alle Futterplätze anzufahren, dann hat Jaslin ein schlechtes Gewissen und kann selbst dann kaum etwas essen.

Sie sagt aber auch, dass es nicht das Essen ist, was so immens wichtig ist (jeder Hund ist ja von Natur aus ein Jäger, und besonders die Straßenhunde finden irgendwo immer etwas zu Fressen) sondern es ist die tierärztliche Notversorgung, die sie (fast) täglich leistet. Angefahrene Hunde, die am Straßenrand dann einfach verletzt zurückgelassen worden sind oder auch Hunde, die Krankheiten haben und diese auch weitergeben. Darum kümmert sie sich in erster Linie. Sie findet fast wöchentlich irgendwelche „neue“ Hunde, die voller Maden sind, teilweise haben sich die Maden schon durch ganze Körperpartien gefressen. Aber hier kann Jaslin mit Medikamenten helfen.

Wir haben neben vielen freudigen Hunden natürlich auch traurige Momente erlebt. Ein noch relativ kleiner Hund hatte eine Wunde am Hals, es war eine offene Wunde am Hals, die auch blutete. Jaslin untersuchte ihn und spritze ihm eine Flüssigkeit in die Wunde- und diese Flüssigkeit kam im Schulterbereich wieder heraus. Das war so traurig. Der kleine Hund hatte also im Prinzip ein Loch in seinem Körper. Es waren Maden, die ihn von innen auffraßen. Aber natürlich hatte Jaslin Wurmtabletten dabei und die helfen in der Regel gut. Sie hat schon mehrere Hunde so vorgefunden und mittlerweile sind es gesunde Hunde. Sie hat also schon oft Leben gerettet.

Jaslin erzählte uns auch, was ihr so immens wichtig an ihrer Arbeit ist: Natürlich freut sie sich über Spenden aber noch wichtiger ist es ihr, die Menschen vor Ort aktiv mit in den Tierschutz hinein zu ziehen. So hat sie in fast jeder Straße Menschen, die ihr helfen, die Hunde mit frischem Wasser zu versorgen oder mit Futter (welches Jaslin gespendet bekommt) oder sie „brieft“ den Kioskbesitzer an der nächsten Ecke, welche Hunde welche Medikamente zu erhalten haben. Und die Menschen helfen.

Sie geht auch in Schulen und klärt Kinder auf, motiviert sie mit „Wettbewerben“ sich aktiv am Tierschutz zu beteiligen und diese Kinder können dann auch eine Kleinigkeit gewinnen. Jaslin sagte uns immer wieder, dass das der eigentliche wichtige und schönste Aspekt in ihrer Arbeit ist: Dass sie Menschen, die selbst arm sind und kaum etwas haben, überzeugen kann, Tieren zu helfen. Oder einfach etwas Gutes zu tun.

Wir wissen alle, besonders diejenigen unter uns, die öfters nach Indien fliegen, dass hier unglaublich viel Armut herrscht. Menschen leben auf der Straße, besitzen oft nicht mehr, als was sie anhaben. Umso verständlicher ist es, dass viele Menschen das Tierleid hier gar nicht erfassen können. Sie leben selbst ganz unten am Rande der Gesellschaft und sollen sich dann noch um Tiere kümmern? Geht das?

Jaslin sagte immer wieder, dass man Menschen gut behandeln muss, ihnen auch etwas geben muss, damit sie gut zu Tieren sind. Und das tut Jaslin. Nach und nach tauscht sie alte Plastikflaschen gegen hochwertige Trinkflaschen aus. Man muss sich dabei vorstellen, dass viele Menschen, eine einzige Plastikflasche besitzen und diese für mehr als EIN Jahr benutzen. Da kann man sich vorstellen, dass diese Flaschen gesundheitsschädlich sind und natürlich hygienisch bedenklich.

Und Jaslin gibt auch ihren Helfern ab und an etwas Gutes zu Essen mit. Sie weiß, es muss den Menschen geholfen werden, damit diese den Tieren helfen können.

Und Jaslin ist religiös, sie tut all das, weil sie glaubt und weil sie glaubt, dass es ihr „Schicksal“ oder ihre Gabe ist zu helfen. Und je mehr Gutes man tut, desto mehr Gutes widerfährt einem. Das ist eigentlich ganz einfach.

Leider kann unser Verein Airliner4Animals e.V. hier finanziell nicht helfen, da in Indien andere Gesetze herrschen und wir müssen hier noch mindestens 2 Jahre warten bevor die Organisation Spenden aus dem Ausland entgegennehmen darf. Bis dahin freut sich Jaslin aber auf regen Besuch. Jeder, der ein Herz für Tiere hat und mal eine andere Art von Layover in Delhi erleben möchte, kann sich bei uns melden. Wir vermitteln gerne den Kontakt. Privat kann jeder helfen, ob mit einer kleinen Spende vor Ort oder mit Sachspenden.

Der Tag endete, indem wir am am frühen Abend wieder in Jaslin’s Zuhause angekommen sind und wir durften die indische Gastfreundschaft kennen lernen. Sofort war es klar, dass wir zum Essen eingeladen wurden sind. Es gab leckeres Essen und guten Masala Tea. Jaslin musste am gleichen Abend noch zurück in die Schweiz fliegen, da sie am nächsten Tag bereits wieder ein wichtiges Emergency Training zu absolvieren hatte. Und wir fuhren zurück ins Hotel und hatten 2 Stunden später Pick up und unsere Arbeit begann. Der Rückflug nach Frankfurt.

Simone und ich hatten gemischte Gefühle: Natürlich sind wir dankbar, einmal ein völlig anderes „Layover“ zu erleben, wir waren beeindruckt von dem, was Jaslin (fast) täglich leistet, aber natürlich haben wir unglaublich viel Tierleid auch ganz nah gesehen.

Jaslin erzählte uns von einer Zahl, und sie beharrte auf diese Zahl, obwohl ich mehrmals nachgefragt hatte: 500 Mio Straßenhunde soll es alleine in Delhi geben!!! Eine unglaubliche Zahl. Ca 430 Hunde hat Jaslin bisher schon kastrieren lassen können und somit Tausende Nachkommen verhindern können. Wir wissen alle, Kastration ist das A und O in einem Land wie Indien.

Mit jedem Tag, an dem ich aufstehe, überlege ich, wie wir heute wieder ein neues Mitglied gewinnen können oder ich mache mir Gedanken über eine mögliche neue Spendenaktion. Oder ich überlege, welche Aktion wir starten könnten, um noch mehr Menschen zu begeistern. Obwohl ich innerlich „angekommen bin“ und mit dem Verein Airliner4Animals „unser Baby“ erschaffen habe- und dieses Baby wächst und wächst und wir bekommen Hilfe von so vielen Menschen, die mit uns zusammenarbeiten (bei Facebook zb.) verfolgen wir ein gemeinsames Ziel: zu wachsen, also immer weiter auf der Suche zu sein, neue Menschen zu erreichen, weitere Spendengelder zu akquirieren.

Und somit muss ich am Ende gestehen: Die Suche hört nie auf.

(Samuel Schäfer)

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